Donnerstag, 15. Oktober 2009

Angekommen in Afrika IV

Der Tag haelt noch immer an.
Ich unterhalte mich mit den anderen auf franzoesisch, stelle fest, dass ich mit einem Sprachebgeisterten unterhalte, wir tauschen uns aus: erspricht englisch, franzoesisch, Kynyarwanda und ene kongoleische Sprache- toll sage ich, was er denn im Kongo gemacht habe J’ete la-bas pour les raisons varieux- Ich war drueben aus verschiedenen Gruenden. Hm? Wie meinen? Was soll das denn genau bedeuten? Er dreht sich zu seinem Kumpel um, der ihn die gleiche Frage augenscheinlich noch mal auf seiner Muttersprache gefragt hatte. Ich verstehe etwas davon.
Was er denn gerade gesagt habe, frage ich augenzwinkernd. Er zeigt auf sein Bier, sagt er habe nur ueber die Qualitaet des selbstgebrannten Gebraeus in seiner Hand palavert.
Tatsaechlich ging es um seine Karriere als Soldat im Kongo, entweder als einer der Milizen oder als Soldat der Regierung.
Die Realitaet holt mich ein; Afrika holt mich ein.

Der Abend wird nett, ich bin entspannt und gluecklich, wuensche mir nur noch die anderen Freiwilligen herbei, mir liebe Menschen, mit denen ich das Glueck teilen kann, unglaublich gastfreundlich bei wirklich einheimischen behandelt zu werden.
Kurzerhand leihen wir uns den Jeep, duesen nach hause um diejenigen abzuholen, die gerne mitkommen wuerden. Wir steigen ein und fahren mit der Sicht auf die Kigalesische Skyline bei Nacht durch die Strassen, laut lachend, wobei man Patricks schallendes ungehemmtes und ansteckendes Gelaechter warscheinlich noch meilenweit raushoert. Seine Stimme branded lustig auf: Super driver Patrick!

Wir sind wieder zurueck auf der Party sitzen in einem dunklen Stadteil, ueber uns die Sterne, trinken etwas, angenehm entspannt begleitet ein Handy mit Musik die Stimmung. Wir lachen ausgelassen, geniessen Komplentativ unser Ankommen in der Gesellschaft.

Im Hintergrund auf einmal ein Handgemenge.
Jemand wird geschubst. Eine Person hat sich unerlaubterweise ins Haus begeben, keiner kannte ihn, ihm wurde versuchtes Klauen unterstellt. Taschenlampen fahren hektisch ueber sein Gesicht, seine Haende werden blitzschnell hinter seinem Ruecken gefesselt. Das Gerausch von Schlaegen. Man hoert Tritte, zwischen nun obskur-anmutendem Handygedudel, auf Fleisch klatschen.
Das ist normal, entspannt euch, wir sind in Afrika, sagt nicht etwa der Ignorier-und runterspiel Selbstschutzmechanismus in meinem Kopf, sonder Patrick, der mit uns zusammen Knie an Knie sitzt.
Trinkt einfach euer Bier, das ist halt so, ausserdem ist das nichts.
Er meint es ernst. Mit guter Laune, Lachen und Spruechen versucht er zu ueberspielen, wie zwei Meter hinter ihm ein Mensch in die Muehle schneller Afrikanischer Lynch- und selbstjustiz geraet, schliesslich weggezerrt wird.
Wir sind sichtlich verstoert.

Es knirscht, es knackt, die Erde bebt, die kulturelle Interkontinentalpatte unter meinen Fuessen ruckt kurz, als sie mit einem ohrenbetaeubenden Brechen sich von derjenigen Patricks abspaltet. Unsere Haende werden auseinandergerissen, das Laecheln erstirbt, eine sandende Wunde tut sich auf, Kontinente der gekappten Verbindung zwischen uns bilden sich brutal. Wir werden nach vorne gerissen als sich die Schlucht ohne Boden, eine tiefer dunkler Spalt unueberwindbar zwischen uns auftut, die tecktonische Distanzschaffung mich nach hinten reisst, das gefuehl der Uebelkeit ins unertraegliche steigert, mich noch verstoert-verzweifelt nach vorne blicken laesst, als Patrick auch schon ausserhalb meiner greif-und Hoehrweite in der Ferne erlischt.
Da ist sie wieder, die kalte Distanz, nicht uberbrueckbar, das sich verschliessende Herz, der Kloss im Hals und die Atemnot bei gleichzeitigem froesteln ohne die momentane Hoffnung auf Waerme. Ich stehe alleine da, im kalten Weltenraum meiner Verzweiflung, meines Unverstaendnisses, greife traurig nach dem einzigen hellen Punkt in der Oede, den anderen, die mit gesenktem schuettelndem Kopf traurig rythmisch sich isoliert im Takt des Wortes Warum wiegen, unfaehig zur Kommunikation.
Ich fuehle mich allein.
Ich komme einsam krachend an.

2 Kommentare:

Opi hat gesagt…

Hallo,
mein ältester Enkel,

da musste ich erst einmal tief durchatmen.
Bin noch tief betroffen von deinem von dir so bildreich geschilderten Erlebnis.
Da ist Zeit nötig für die Verarbeitung der Realität.
Die wünschen wir dir und auch die Kraft, die dafür nötig ist.

Wir sind in Gedanken oft bei dir.

Ganz liebe Grüße von deinen Großeltern
aus Ostfriesland

marietta-sistaaa <3 hat gesagt…

hey mein brasa,

man weiß immer gar nicht was man dazu schreiben soll... es liegt einfach nicht in meiner Vorstellungskraft. Aber wieder einmal bringst du mich irgendwie näher an solche Geschehnisse heran...
Pass gut auf dich auf!

deine sista!