Mittwoch, 24. Juni 2009

allerlei

Als Animateur hat man einen vierundzwanzigstunden Job. Wenn wie letztens eine Touristin umkippt, nach der Arbeitszeit, gerade wenn man aus dem Hotel laufen will, man hat ja schließlich frei, da heißt es- fahren sie bitte mit ins Krankenhaus. Sie sah bleich aus, ihr ging es nicht gut. Das komische an der Sache ist, dass gerade in solchen Situationen die Leute nicht rational denken. Nur weil man ein T-shirt in einer einheitlichen Farbe trägt, ist man augenscheinlich kompetent in allen Bereichen des Lebens. Es wurde also eine Diagnose erwartet. Das wichtigste in solchen Situationen ist genau dieses Klischee zu bedienen, zu versuchen die richtigen Fragen zu stellen, sodass es rüberkommt als hätte man Ahnung. Kompetentes Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit. Menschen in extremen Situationen werden auch unerwartet gesprächig und anhänglich. Als wir dann im Taxi saßen, stellte ich zur Ablenkung, Beschäftigung und Zeitüberbrückung allerlei fragen, die mir auch gerne und ausführlich beantwortet wurden. Eine Halbe Lebensgeschichte kann schon mal innerhalb einer viertelstündigen Autofahrt abgerissen werden.
Andererseits ist man selbst auch sehr nervös, ich hatte im Hotel noch etwas getrunken und im Krankenhaus stehend merkte ich, dass ich den Plastikbecher, nun völlig zerdrückt und zerwrungen, immer noch in der Hand hielt. Wir kamen gerade von der Bühne, ich hatte noch mein Kostüm von Grease an, eine Lederjacke und eine völlig übertrieben gestylte Tolle von „Danny“. Kathi wurde in ein Lederoutfit gepresst, in dem sie sich unglaublich unwohl fühlt, was sie im Eifer des Gefechts aber nicht mehr ablegen konnte. So standen wir dann zwischen Ärzten in grün. Als ich dann eingeklemmt unter zwanzig Personen in der Notaufnahme saß, überfiel mich plötzlich die Müdigkeit und die Erschöpfung. Es stellte sich zum Glück heraus, dass die Menschenmassen komplett das italienische Klischee bedienen und davon nur drei verletzt waren, die anderen waren besorgte Familie, die jeweils mit mindestens zwei familiy-vans rangekarrt worden waren. Ich schnappte frische Luft um mir das Privileg zuteil werden zu lassen einen Blick in einen Landestypischen Krankenwagen werfen zu können. Innen versuchte gerade ein Rettungssanitäter verzweifelt irgendeinen Lebensrettenden Gegenstand hinter einer Ablage hervorzuziehen. Mir wurde schlecht.

Genauso wie bei meiner vorletzten Fahrradtour. Wir waren nur drei Personen, alles lief bis zur letzten Geraden super, da hörte ich es hinter mir auf einmal krachen. Das worse-case szenario war eingetreten, der Gast war gestürzt. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, aber glücklicherweise einen Helm getragen, der war genau an der Schläfenstelle zerdrückt. Er wusste nicht einmal mehr, dass er gestürzt war. Ich hatte nichts dabei, kein Handy, kein Verbandszeug, rein gar nichts. Er hatte Abschürfungen und zitterte, bestand aber darauf, dass es ihm gut ginge. Ich fuhr vor und lies den Doktor kommen. Ich lief in die Rezeption, voller Blut (seins) und versuchte mit gebrochenem Italienisch und völlig aufgebracht zu erklären was ich will. Ich wollte eigentlich nur noch weg, aber das sagte ich DENEN natürlich nicht.

Bei meiner letzten Tour eine tolle Situation für einen Guide: wir fahren auf der Straße, ich sage noch „ gucken sie mal links, da sind Schafe“ und oute mich als das größte von ihnen, denn auf einmal schießen drei Hunde aus dem Tor genau auf meine Gäste zu. Simultan kommen frontal Autos mit italienischem Tempo und Fahrstil auf uns zu. In meinem Kopf spielen sich alle Möglichkeiten von GAUs ab.
Erstens: Überfahrene Touristen und ein mich anschreiender Italiener während mir ein Hund an der Gurgel hängt.
Zweitens: Gebissene Gäste, danach überfahren, ich verzweifelt mir as Leben nehmend im Anschluss.
Die einzige Möglichkeit war die tatsächlich eingetretene: die Hunde wurden kurz bevor sie die Opfer ansprangen, angefahren. Ich hörte einen dumpfen Schlag und jaulen, doch der Hnud rannte gleich wieder davon, es war anscheinend nichts passiert.

Mein Bein heilt gerade wieder. Es hatte sich entzündet, besser gesagt die Wunde, mir hatte der Doktor Cortisol direkt hineingesprizt, musste jetzt Antibiotika nehmen, durfte nicht ins Meer- oder Poolwasser, wurde auch erstmal von den Strandaktivitäten verbannt. Jetzt bin ich so gut wie wieder topfit.

2 Kommentare:

Opi hat gesagt…

Hallo Matthias,

da bin ich aber sehr froh, dass du wieder topfit bist. Ihr hab ja wirklich einen aufregenden Job.

Du schreibst:"Ich hatte nichts dabei, kein Handy, kein Verbandszeug, rein gar nichts."
Ich versuche mir vorzustellen, wie du dich verhalten hättest, wenn du zwar kein Handy aber Verbandzeug dabei gehabt hättest.:-(

Anonym hat gesagt…

Hy mein Sohn, ja, dass sind genau die Story´s die bei mir ein mulmiges Gefühl im Magen und eine unschöne Gänsehaut im Nacken verursachen. Da wünsch ich mir, dass auch alle GAUs immer möglichst günstig ausgehen...

Liebe Grüße
Papa