Freitag, 29. Januar 2010

Apabena


Salut ihr Lieben

Was ist Apabena? Eine der vielen rwandischen Begruessungsformeln, die euch schon vorgehalten wurden? Nein. Es ist der Name unserer Unterkunft, in der wir Freiwilligen zur Zeit wohnen und die dieses Wochenende fluchtartig verlassen wird. Um das zu erklaeren, muss kurz die Wohnungssituation erlaeutert werden.
Wir Voluntaere, und das sind elf Stueck, leben in einer Art Jugendherrberge auf einem offenen Gelaende. Das klingt lustig, allerdings ist der Gedanke von einem halben Jahr Zeltlagerspass ungefaehr so reizvoll wie die Vorstellung seine Lieblingsmahlzeit drei Stunden am Stueck zu essen. Naemlich eher belastend.
In einem Gebaeudekomplex mit zwoelf Zimmern, wobei jeweils immer sechs mit der Rueckseite zur anderen Haelfte gelegen sind, kann das Grundstueck umlaufen werden. Zum Beispiel von uns. Zum Beispiel von Fremden. Die sind deshalb nicht selten auf unserem gelaende anzutreffen, weil dieses guesthouse eigentlich zu einem ganz anderen Zweck als der dauerhaften Belagerung konzipiert wurde, eher zur Wochenendverbringung.
Dazu kommt noch, dass es sich um eine Art Kombinationsunternehmen handelt, mit angeschlossenemn Restaurant, wodurch Fremde eigentlich der Standard sind. Abgeriegelt ist unsere Sphaere somit nicht. Alles ist frei zugaenglich. Vor unseren Zimmern marschieren dann Einheimische, samstagabends oefter auch mal Betrunkene einheimische, entlang und schauen in die Raeume. Und das ist das Kernproblem unseres Dilemmas: die fehlende Privatsphaere. Die Sanitaeranlagen befinden sich im mittleren Durchgang und werden grosszuegig nicht nur von uns Besitzern benutzt, sondern auch vom Klientel des Restaurants. Angebrachte Papierschilder und neuinstallierte Holztore konnten dieses Problem der freien Zugaenglichkeit bisher etwas eindaemmen.

Aber das problem besteht weiterhin und der Vergleich waere der folgende:
Man wacht morgens auf, zieht die Vorhaenge und damit die einzige Barriere zur ausseren Welt zurueck. Man oeffnet die Tuer, kommt aus dem Schlafzimmer in Unterhosen und da sitzt im Flur auf dem Weg zum Badezimmer in der eigenen
Wohnung jemand an einem Holztisch im Weg, du hast ihn noch nie in deinem Leben gesehen und mit erwartungsvollem Blick hofft er darauf, dass du, dein Handtuch aus peinlicher Beruehrtheit, schnell um dich wickelnd, seine ueberschwaengliche
Begruessung erwiederst, waehrend du dich an ihm vorbeizwaengst und schnell in der Dusche verschwindest, die du dir in deiner elfer-WG mit allen teilst, weil die andren drei Duschen ausgefallen sind und seit deiner Ankunft auf Wiederbelebungsmassnahmen hoffen. Nach einem halben Jahr Routine.

Der Gast von Einem ist auf grund mangelnder raeumlicher Ausweichmoeglichkeiten sogleich immer der von allen. Und man hat schlicht keine Lust gezwungenermassen mit fremden oder dir nicht so wichtigen leuten Anstandsgespraeche zu fuehren, nur weil er da halt gerade sitzt, man selbst leider das Beduerfnis verspuerte, sein Zimmer kurz fuer einen Toilettengang zu verlassen und nun ueber ihn stolpert.


Die Toleranz fuer eine andere Kultur, die eventuell weniger privatsphaerenbezogen agiert, hat nichts damit zu tun, wie man sich fuehlt, wenn man sein Privatgemach abschliessen muss, um kurz Wasser aus der Kueche zu holen. Koennt ihr euch
in den Gedanken versetzen eueren Raum zu verrammeln, weil ihr mal eben in das nebenzimmer geht? Eben.

Ich luefte gerne. Dazu habe ich mir ein Moskitonetz in den Rahmen gehaengt, um mit offener Tuer leben zu koennen, ohne von den Blutsaugern gefressen zu werden. Letztens liess ich die Tuer unabgeschlossen. Jonas und ich sassen danach um die Ecke
und genossen die Mittagssonne. Unser Gespraech unterbrechend fragte er mich mit dem Finger auf einen kleinen Jungen vor uns zeigend, der etwas hochielt:
"was hat der da? warte, IST DAS DEIN HANDY?"

Tatsaechlich war er einfach eingetreten, bediente sich und versuchte dann mit Zeichensprache uns zu verstehen zu geben, dass ich nun in Form von Amafaranga (Geld), ein Telefon-Loesegeld zu zahlen habe. wir tricksten etwas und ich hatte das Objekt der Begierde ohne gegenseitige verluste- Geld und pruegel zurueck. Kurz darauf hielt er etwas kleines funkelndes hoch. Ich konnte es nicht glauben. Fassungslos nahm ich mein Geraet auseinander, tatsaechlich, er reckte meine sim-karte empor, mit allen Nummern darauf und vollkommen ohne Wert fuer ihn.

Diese kleine frustrierende Episode steht repraesentativ fuer das lebensgefuehl "zu Hause". Deswegen machen nun endlich einige ihren Umzugstraum seit anbeginn ihrer Ankunft hegend wahr und mieten sich an Orten der Unabhaengigkeit ein. Ich habe
leider noch nichts gefunden.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Lang lang ists her, das Zwischenseminar

Das heutige Thema ist schon etwas veraltet, aber in meinen Aufzeichnungen fand ich diese erwaehnenswerte Episode, die ich euch natuerlich nicht vorenthalten moechte. Es passiert immernoch staendig so viel, dass ich meine handschriftlichen Notizen zur Hand nehmen muss, um den Überblick behalten zu können wenn ich euch berichte.

Kurz ein keiner Überblick über das, was wir als eine wirklich tolle Gruppe in Kibuye gemacht haben, bei unserem Seminar. Für alle die nicht gerade die Karte Rwandas parat haben, es liegt im Westen direkt am Kivusee, mittig situiert mit wunderschöner Vegetation und einer Aussicht als wäre man am Meer. Am Ufer auf der anderen Seite kann man bei guter Sicht den Kongo sehen. Vormittags ist das Wetter meist atemberaubend schön, bloß war es (auch wir haben Winter) leider etwas kalt, mit Jacken und dicken Socken erwehrten wir uns den knapp mehr als zwanzig grad. Schon doof.
Man stelle sich die Landschaft etwas wie Peter Pans Phantasialand vor, direkt aus klarem Wasser erheben majestätisch saftiggrüne Berge ihre Häupter empor, sodass man das unbedingte Bedürfnis hat sich in das kühle Nass zu stürzen und zur nächsten einsamen Insel zu schwimmen. Die luft war herrlich klar und die Sonne schien, was einen verleitet die Distanzen zu unterschätzen. Als wir nach zwei Kilometern zum nächsten einsamen Stück Land geschhwommen waren, hatten wir noch die Gewissheit zurückkzumüssen, zwischendurch mal ein Pause einzulegen geht nicht wirklich. Aber man wird einfach von allem um einen herum so überwältigt, dass man kaum bemerkt, wieviel Strecke man schon zurückgeleg hat, atemberaubende Wolkenformationen besehen sich in dem nassen Spiegel um einen herum, dabei schwimmt man mit einem einen begleitenden Sonnenuntergang an der Seite und dem farbenfrohesten Sonnenglühen, dass man sich vorstellen kann, ein sich gen Erde werfender orang-roter Ball mutete einem Kometen an, der in seiner imaginären Zerstörungskraft Demut gebot und einen verstummen liess. Zug um Zug zog man sich durch ein Farbpalette und tauchte unter in den Farben, tauchte ab, war in einer anderen Welt aus blau und grün tönen, warmen Wasser, die distanzierten, exotischen Vogelrufe verstummten und nur der einsame, rythmische Schlag des Herzens erinnerte einen an die Gegenwart, man fühlte sich wie in einen Traum versetzt, oder sogar in die erste Erinnerung, die nicht möglich ist, vor dem ersten Welterblicken.
Erschöpft klettert man an Land und fühlt sich wie neugeboren.

Abends machten wir uns kleine Pickniks in uneren Zimmern, klaubten auf den Märkten alles leckere zusammen was die Natur hergab und schwatzen bei Musik am Boden sitzend bis tief in die Nacht, assen bis der Hunger erst versiegte und blieben weiter sitzen, bis man doch wieder ass, sich auf die Seite drehte und wegnickte.
Toller Gruppenzusammenhalt, man lernt Leute schätzen, die einem nicht gerade nicht zugesagt hatten, aber mit denen mehr Zeit zu verbringen nicht im rahmen des aktiven Möglichkeits-bewusstsein waren, am Ende taucht man aus einer super Zeit auf und nennt Menschen seine Freunde.
Interkulturelle Tage mit einheimischen Studenten erweiterten spielerisch unseren Horizont, Gruppen von zehn Leuten je zur Hälfte Rwander und Deusche sollten ein imaginäres Kind großziehen und sich über die Werteinhalte einigen… man stelle sich die Lebhaften Diskussionen vor über Themen wie Haushalt, Heirat, Sexualität, Gehorsam, Religiösität, Tradition, das ganze natürlich noch mit der Schwierigkeit des Geschlechtes des Kindes Gewürzt.

Mein persönicher Höhpunkt war der Besuch einer Teeplantage mit Visite der Fabrik zur Erzeugung des Endproduktes. Ein Traum von mir. Man stelle sich den emotional überwältigten Matthias wie ein kleines Kind durch grüne Hügel rennend vor, wie er sich kreischend so auf Teebüsche schmeisst, wie ein irrer sich die Haare raufen würde, mit seinen Händen erbarmungslos Teepflücker imitierend die wehrlosen Pflanzen traktiert und den verständnislosen Blicken der Arbeitenden, die er ironsicherweise spontan um ihre Arbeit beneidet, mit überschwänglichem Lächeln begegnet. Nachdem er gebremst und mit tausend Fotos in jeder erdenklichen Pose mit jedweder möglichen Blattform vor dem Gesicht beruhigt wurde, auf dass dieses Häkchen auf seiner Lebens-to-do-list unvergessen bleibe, geht es zur nächsten Station, vor der sich die Gruppe mit ihm im schlepptau schon fürchtet, ihn aber auf seinen Wunsch hin verständnisvoll, wie man einem bockigen dreijährigen vielleicht nachgeben würde, solange er nur ruhiggestellt sein möge, Ma-tee-as nennen.
An dieser Stelle noch mal ein kräftiges Dankeschön für diese Nachsicht und Empathie.

Zurückzulegende Strecken mit dem Jeep wurden überbrückt mit einer anspruchsvoll-delikaten Auswahl deutscher musikalischer Glanzgeschichte. Biene Maja in der selten gehörten Grölversion, abgeschmeckt mit durch die Straßensituation ausgelösten Vibratios in der Stimme, garniert mit irren Blicken nach vorne, wenn die Vorderreifen knapp am Abgrund bzw unserem Vertrauen vorbeischrammen. Es gibt davon sogar videos, welche aber zum Zweck einer zu vermeidenden Rücküberweisung und Einweisung der Freiwilligen dezent vernichtet wurden. Wir bitten um Verständnis und Vorstellungsvermögen, sowie Diskretion. Danke

Das war das Zwischenseminar. Mit gemischten Gefühlen fuhren wir Heim, es war viel zu schön um zu enden, doch gab es auch neue Kraft mit dem weiterzumachen, was an anstrengenden Herausforderungen momentan auf einen wartet. Gearbeitet hatten wir natürlich auch, es galt den neuen Input sinnvoll im Alltag umzusetzen.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Neujahr und Weihnachten

Hallo ihr Lieben
Es ist ja schon eine Weile her, dass ich schrieb, aber das haelt mich nicht auf euch ein frohes neues Jahr zu wuenschen. Und zwar mitte Januar. Egal. Alles erdenklich gute euch.
Die Stunde null habe ich westlicher verbracht als man meinen sollte, naemlich auf einer riesen Party in einem Hotel, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass wir warmes Wetter hatten und im Hemd draussen tanzten. Tolles Ambiente, mit Freunden unter freiem Himmel in das Jahr 2010(!) feiern- traumhaft. In Kigali wird es auf Grund der Aequatornaehe um sechs uhr langsam hell, somit haben wir eine Fotoreihe schiessen koennen, bei der es alle zehn minuten heller wird, bis wir bei tagheller Umgebung buchstaeblich in den naechsten Tag zelebriert haben. Lichtmaschinen wirbelten trotzdem noch umher, der dj wurde unermuedlich angefeuert und die ganze Situation erschien etwas paradox aber umso reizvoller, weil die Meute unersaettlich nach Party gierte- gelungenes Neujahr also!

Weihnachten wird in Rwanda erst am 25. Dezember gefeiert, mit meinen fleissigen Kulturadapterfreunden wusste ich also, ich konnte unser Weihnachten fuer mich verbringen und dann am naechsten Tag puenktlich zur Feier einreiten. Der 24. also. Mir war erst etwas mulmig. Ich sass also vor meinem Zelt am lac Bunyonyi und hatte eine typische Kindheitssituation vor mir.
Bestandsaufnahme: Sonne, Zelt hinter mir, Badehose (an, nicht nur im Rucksack) gerade gebadet. Moment mal, das ist doch der Sommer? Nicht hier. Waehrend ich mich wundere, wie ich wohl allen Anschein nach mein Fest der Liebe alleine in einer typischen Mecklenburger Campingsituation verbringen werde, spricht mich jemand von hinten an. Es war das deutsch-schweizerische Paerchen, dass ich ganz am Anfang meiner Reise auf der Faehre nach Sesse Islands getroffen hatte. Somit nahm der Uralub bis zum Ende gerade nicht den Charackter an, der die urspruengliche Intention eines kleinen selbstfindunstrips hatte, sondern setzte konsequent mein Zusammensein mit netten Menschen fort.
Das war allerdings weniger tragisch, denn in diesem konkreten fall aeusserte sich dies in einer Weihnachtlichen Einladung zu Pilzsuppe, Suedafrikanischem Wein, Kuchen und, Halleluja, original schweizer Kaesefondue. Im Anschluss tranken wir leckeren Tee aus einem Bioprojekt in Fort Portal waehrend wir die von Laternen beschienene spiegelglatte Wasseroberflaeche bei Nacht betrachteten.
Auf der gegenueberliegenden Seite gesellte ich mich spaeter zu anderen ans Lagerfeuer, traf Italiener, mit denen ich mich unterhalten konnte und genoss den restlichen Abend ausgiebig. Waehrend ihr dann warscheinlich in eure Federbetten gekrochen seid mit Schnee vor dem Fenster, kuschelte ich mich in den Schlafsack im Zelt.

Meinen Freunden hatte ich verschwiegen, dass ich puenktlich zurueck sein werde. Bis zuletzt waren sie davon ausgegangen, dass ich es bevorzuge alleine Weihanchten in der Pampa zu verbringen und waren dementsprechend pampig mir gegenueber.
Mithilfe von Carina gelang es mir aber mich sozusagen nach Kigali ungesehen einzuschleusen und mich auf die Party zu bringen, um Jonas und Philou zu ueberraschen. Das war sozusagen mein weihnachtsgeschenk. Das klingt jetzt wieder so typisch- mattes schenkt sich selbst, tatsaechlich war es aber eine tolle Ueberraschung.
Das ganze musste aber natuerlich ncoh interessant aufgezogen werden. Also kaufte ich mir ein rwandisches traditionelles Kriegeroutfit zusammen, mit Lanze, Schild, langen Strohhaaren und Fussschellen, band mir einen langen Schaal als Rock um und tanzte dann wild wirbelnd in das Zimmer ein, nachdem Carina die einleitenden Worte gesagt hatte, dass sie noch einen kleinen kulturellen Beitrag vorbereitet haette. Mit meinem choreographisch abgesenktem Kopf dachten die Beiden sich erstmal nichts, als ich dann aber hochschaute und sie breit angrinste, waren sie sprachlos und drueckten ihre unbaendige Freude mit den unglaubigen worten aus : ist er das wirklich?

Bei Kerzenschein und im Hintergrund wirbelnden Schneewehen (danke an Beamer und youtube) wichtelten wir und speissten koeniglich unser selbstgemachtes Buffet. In eine Bettenburg gekuschelt sahen wir den schwarzweiss Film drei Maenner im Schnee und genosen die auf einmal viel weihnachtlichere Stimmung als alle gedacht hatten.