Freitag, 19. Februar 2010

Halbjaehriges II

Es gibt zwei Stationen im Urwald-areal, wir fuhren gleich ganz durch bis fast zur Grenze am Kongo, um dort die laengste Tour zu machen, die auch am zeitaufwaendigsten waere. Wir kommen an, gluecklich und erschoepft, zu allem bereit, bis uns erklaert wird, dass es schon zu spaet sei, die Wanderung koenne aufgrund bald eintretender Dunkelheit (durchgaengig sechs uhr abends in Rwanda) nicht mehr durchgefuehrt werden. Aber in der Mittelstation (wohlgemerkt 1h zurueck) gaebe es kleinere Touren.

Sack und pack geschultert, an den Strassenrand gestellt, Lift bekommen. Von zwei wilden Kongolesen in komischer Szenerie, denn ein deutscher DHL-wagen hielt fuer uns an, beladen mit Paketen, die eine wahnwitzige Irrfahrt schon hinter sich haben ueber alle moeglichen Arten von Abkuerzungen, der Fahrer ausgestattet mit passendem Polohemd und eher orientalisch wirkender Kopfbedeckung in passenden Farben. Zwischendurch mussten wir anhalten um schaulustig einem Unfall beizuwohnen. Der Fernseher-ersatz auf der Urwaldstrasse. Unglaeubig schauen wir einige hundert Meter einen Abgrund herunter, ein Tanklaster hatte eine riesige Schneise in das Gestruepp gerissen. Mulmig wird mir klar, dass hier hinter jeder Hecke so der Unfallort aussieht, kein Wunder bei schliddriger Fahrbahn und Gegenverkehr, der geanu wie die eigenen Fahrer nach dem Kurven-Motto faehrt: sooo warscheinlich ist das garnicht dass genau jetzt einer um die Ecke kommt, ich schneide mal gerade eben die Kurve.

Zurueck zum Unfall.
Hatte der etwa Benzin geladen?
Nein, keine Angst, nur Cherosin!
Na dann !?!

Wir werden abgesetzt und finden keine Rezeption. Von einem angestellten, (der den Wald zu fegen scheint) werden wir auf ein Zelt verwiesen. Dieses Provisorium wird mit Solarplatten, ueber die man druebersteigen muss, mit Strom versorgt. Drinnen duerfen wir gemuetlich platz nehmen, neben Funkstation und Tresor, der so garnicht in das Bild passen will.

Wir hoeren zu unserem Schrecken eine Info schon zum zweiten mal diesen Tag: es wird langsam spaet, man muesse vorsich..
Wir gehen sofort los!! Entscheiden wir
Sicherheitshalber nehmen wir die kuerzeste Strecke, von nichteinmal zwei Kilometern, die als der Farnweg gepriesen wird. Machbar, entscheiden wir, legen unsere Taschen ab, lassen uns Wanderstoecke geben und traben umgehend los.

Die Landschaft ist atemberaubend schoen. Ueber Moosbewachsene Wege von hohen Baumen gesaumt, folgen wir unserem guide. Boegen aus Wurzeln und Lianen lassen uns durch gruene Urwald-Tore schreiten. Ich habe wahrlich den Eindruck den Palast der Mutter Natur zu betreten. Tempelgleich ist die Stille und verwundert bemerke ich, wie sich ein Knoten in meiner Brust loest, von dem ich nicht bemerkt hatte, dass er im Laufe des manchmal stressigen Stadtlebes entstanden war. Tief atme ich die saubere Luft ein und entspanne mich beim Wandern.
Dennoch sind wir ordentlich am Schwitzen, der Kreislauf hat alle Muehe nicht zu kollabieren. Da wir weder hasten, noch reden, fragte ich verwundert, wie hoch das Areal denn gelegen sei.
2500 Hoehenmeter- mir wird einiges klar.

Ich will auf die Uhr- mein Handy- schauen fuer die Zeiteinteilung. Es ist nicht da. Mir faellt meine zugegebenermassen haengende Sitzposition im Auto ein und dunkel vorahnend betaste ich die Weiten Taschen meiner ausgelutschten Leinenhose. Weg. Definitiv. Wenn ich mich jetzt aufrege, denke ich mir, dann habe ich den augenblicklichen Schaden des Ueberreagierens und, sollte es tatsaechlich wieder auftauchen, in der Retropspektive den Aerger ueber die Tatsache, dass ich mich umsonst aufgeregt habe.

Aktzeptanz, waere jetzt das beste, konstatiere ich, besehe mir die Landschaft und lasse mir den Moment nicht verderben, geniesse die Tour zu Ende. Spaeter rufen wir mein Telefon an- der Fahrer unseres Lifts geht ran. Er moechte es mir gerne wiedergeben. Laechelnd denke ich daran, wie wir netten smalltalk gehalten hatten, ich meinem Kumpel dazu angehalten hatte sich nicht nur stumm hinten in den Wagen zu hocken, sondern freundlich zu kommunizieren und wie ich mich schliesslich mit Kaugummis eher scherzhaft bedankt hatte, ueber die er sich aber gefreut hatte.

Nach der Wanderung stehen wir vor der Qual der Wahl: erst essen oder erst das Zelt aufbauen? Das Risiko eingehen nichts essbares mehr kaufen zu koennen, oder im Dunkeln im Urwald das Zelt aufzubauen? Wir stuermen den kleinen Shop und kaufen uns ein Festmahl zusammen. Stirnrunzelnd besehen wir unsere Tafel: Amandazi, soll heissen frittierter suesser Brotteig und kulinarische Garantie das gesamte restliche Wochenende nicht mehr in Verlegenheit geraten zu muessen in unpassender Situation nach sanitaerer Entspannungseinrichtung zu suchen, trockene Butterkekse, die konsequente Weiterfuehrung dieser Grundidee, dazu uebermaessig gesuesster schwarzer Tee mit Milchpulver als Abrundung des Leitmotivs, abschliessend die Kontrastierung und diuretische Wiederherstellung der Ausgangssituation durch je eine aus Thailand importierte eher weniger vertrauenserweckende Dose Sardinen in langweiliger Tomatensosse.

Durch die Reichhaltigkeit unseres Abendbrotes und eingetretene Erschoepfung motiviert, schlemmten wir bis zur Daemmerung drauf los und assen begeistert fast die Haelfte. Die reichte, um uns in den Zustand ungewollter Bewegugsunfaehigkeit zu versetzen. Die andere Haelfte war als energiespendendes Fruehstueck fuer den naechsten Morgen gedacht.
Dann sahen wir uns mit dem Problem des Campens bei Nacht konfrontiert.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Halbjaehriges I

Tag meine Lieben
am sechsten Februar war ich ziemlich genau ein Jahr hier. Ich bin mir nicht sicher, ob ich guten Gewissens sagen kann, das die Zeit schneller vergangen sei als man denken wuerde, denn ich erinnere mich an einige Momente, wo ich nur dachte O mann, und das ganze ein jahr lang? Ich hatte euch daran auch teilhaben lassen, ihr wisst was ich meine.
Zweifellos hatte ich mir etwas verdient, mir ueberlegt mich selbst zu belohnen und ein Wochenende im Nyungwe Nationalpark zu verbringen. Der liegt im sued-westen und ist weniger fuer seine Tiere als fuer seine bestechende Botanik bekannt.
Urspruenglich wollten wir, ein Freund und ich, schon am Freitag nach Butare aufbrechen, eine groessere Stadt auf dem Weg, dort bei Freiwilligen uebernachten und am naechsten Morgen in aller Fruehe weiterfahren. So haetten wir die Fahrt von ueber sechs Stunden verteilt und haetten ausserdem das Nachtleben in bessagter Stadt noch abgegriffen, was durchaus lohnenswert ist, da es sich um eine Studentenstadt handelt, die besonders attraktiv durch die hohe Zahl an einem gleichgesinnten Leuten ist, die am Wochenende uns ganz aehnlich ihren Stress abtanzen wollen.

Das war der Plan. Er klappte nicht. Spontan blieb ich in Kigali um auf eine Privatparty zu gehen, die versprach etwas aktuellere europaeische Musik zu spielen. Nach einem halben Jahr tekkno aus den neunzigern war der Reiz einfach zu gross.

Der weitere Verlauf ist dann etwas aergerlich. Ich dachte mir, es sei kein Problem den allerersten Bus von Kigali aus zu nehemen, ich muesste nur frueh genug aufstehen und zuegig losgehen. Sicherheitshalber packte ich noch nach meiner abendlichen Rueckkehr die Tasche. Bestandaufnahme: Wenn ich jetzt sofort ins Bett gehe und innerhalb von zwei Minuten einschlafe, dann habe ich noch fast genau eine dreiviertelstunde Schlaf. Kein Problem dachte ich, ruhe ich mich halt nur kurz aus, und ueberhaupt, aufstehen kann ich ja ganz gut.

Ich wachte auf, weil mein Handy klingelte. es war nicht der Wecker, sondern mein Kumpel in Butare. Ich sollte dort dazusteigen. Wo bist du? ich blickte mich kurz um: genau, das mir vertraute Moskitonetz, mein abfahrtbereiter Rucksack, ich gucke an mir herunter: Hemd?
Mist, ich bin weder im Bus noch angemessen angezogen noch auf dem besten Weg mir mein eigenes Geschenk zu goennen.
In Rekordzeit kleide ich mich um, lasse die Sachen liegen, die ich mir bereit gelegt hatte ums sie in die Tasche noch in der richtigen Reihenfolge zu stopfen, haste hinaus, stolper ueber die letzten uebrigbleiber und nachhause-kommer, renne zur Strasse, fahre in die Stadt, komme am Ticketschalter an. Man versichert mir, dass die Fahrt verfallen sei, ich mich umsonst abgehetzt haette, ausser ich wuerde den Bus, der innerhalb Kigalis mit etwas Glueck noch rumgurkt, einholen und somit meine Fahrt ins Glueck und den Urlaub noch einfordern.
Im Tiefflug durch die Stadt um festzustellen: zu spaet. Bloooooss nicht aufregen sage ich mir und kaufe mir ein Ticket zur naechstmoeglichen Abfahrt. Zerzaust setze mich in eine kleine Allimenatation und fruehstuecke eine Ikivuguto (Mischung aus Buttermilch und Naturjoghurt) mit Sambusa (fleischgefuellte Teigtaschen). Endlich im Bus. Ich sitze ganz vorne und doese weg, einerseits aus erschoepfung, andererseits, weil ich einfach die Augen vor dem Halsbrecherischem Fahrstil meines fahrers verschliessen will.
Butare, Freund steigt ein, gesteht umgehend, dass er unseren Proviant hat liegen lassen. Halb so schlimm, ein ganzes Wochendende durch den Jungel wandern ohne was zwischen die Zaehne zu bekommen, verspricht interessant zu werden.

Samstag, 13. Februar 2010

Sauna II

Halbzeit. Wir duschen uns lauwarm und setzen uns in den Abkühlraum zum pöbelnden Fernseher zur Entspannung. Selbstbedienung mit schwarzem gezuckertem Tee zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs.
Während wir uns unterhalten fällt plötzlich der Strom aus. Ich bekomme Panik. Eher ein Gefühlsgemisch aus verwundertem Unbehagen und apokalyptischer Angst, denn die Tür wird aufgerissen, Licht wird mir jäh ins Gesicht gestrahlt von hektischen, besohlten Invasoren im Barfußbereich ausgehend, und das akkustische Äquivalent eines Salven auf mich abfeuernden Sturzkampfbombers kracht durch das geschlossene Fenster; erst kurz bevor ich mich bäuchlings hinschmiss um nackt zur Tür zu robben, begriff ich jedoch die Situation.
Die Zwei Sekunden ohne Beschallung der Glotze, ausgelöst durch den Stromausfall, die eintretende Dunkelheit, hatten gereicht, um meinen Puls auf entspannte dreissig Schläge pro Sekunde zu senken. Als jedoch das uns bestürmende Personal des Wohlfühltempels tueraufreissenderweise übermotiviert versuchte uns zu beruhigen und somit das Gegenteil bewirkte, versäumte ich offenbar, dass ich mich nicht in Lebensgefahr, sondern in einer der wenigen Kigalesischen Einrichtungen mit Notfallgenerator befand.
Ich hatte nicht gewusst wie schnell Botenstoffe, zum Beispiel Adrenalin, ausgeschüttet werden können und anfangen zu wirken, bis zu eben jenem Zeitpunkt, wo ich mich im Bruchteil einer Sekunde unter meinen durch häufige Frequentierung tiefergelegten Plastikstuhl gefaltet hatte, mit einem terrorisiertem Kaninchen-gedraengt-in-Ecke-Blick hervorstierte und ein Herztrommelwirbel von gefühlten dreihundert Penetrationen pro Minute mein Herz in der Kehle Schlagen liess.
Die restliche Zeit hätten wir uns lieber Kerzen gewünscht anstatt eines Generators, vielleicht wäre es dann möglich gewesen, das Wort seines Sitznachbarn oder das Eigene zu verstehen. Man lernt halt sich zu arrangieren.

Abschlussmassage. Entspannt und durchgeknetet komme ich aus der Kabine, die von innen verschlossen war. Im Raum meiner vorangegangenen Schlachtfelderfahrung warten die Jungs auf mich.

"UND?" sie machten einen leicht verstörten Eindruck
"Was soll sein?" fragte ich verwundert
"Na ja Massage?!? Wie gings aus?"
" Aufgestanden. Angezogen. Raum verlassen, normal sollte man meinen?"

Anscheinend nicht, wie sich herausstellen sollte, denn beide wurden mit der Hand der Masseuse in ihrem Schritt gefragt, ob sie eine "Verlängerung" wünschen würden. Ich wurde offensichtlich garnicht erst gefragt, weil ich als letztes an der Reihe war und meine Vorgänger mit ungläubig-verstörten Blicken und gestammelten Antworten die Guppentendenz eindeutig klargestellt hatten.

"Nie wieder Massage in geschlossenen Räumen" fiepst der eine
"Ich fühle mich schmutzig und unentspannt" wimmert der andere"
"Ab jetzt nur noch vor allen auf'm Boden" schließt der erste
"Also ich fand es klasse Jungs" beendete ich

Dienstag, 9. Februar 2010

Sauna I

Hallo ihr Lieben
Mit einem Handtuch (Stoff in typischem rwandischem Muster gehalten) und Einheitslatschen, Neonfarben, betreten wir den Saunabereich. Ein ungewohnter Anblick bot sich uns:
In dem dunkelsten halbdunkel, dass man sich vorstellen kann, glänzen die Holzbänke schweissdurchtränkt im Licht, bei reflektionslosen Flächen vermuten wir Mitbenutzer. Das Licht dringt aus einer schwarzlackierten Glühbirne an der Decke, besser gesagt aus der Stelle, wo die Farbe abgeplatzt ist. Es ist unglaublich heiss und die Luftfeuchtigkeit ist maximal, die Luft ist so gesättigt, das ich erst glaubte die Tür nicht aufgemacht zu haben, oder gegen eine Glaswand gelaufen sei.

Wir treten ein. Und treten fast drauf. Denn am Boden erblickten wir ein bizarres Gliedmaßen- Gewühl. Zwei Männer räkelten sich am Boden, der eine lag auf dem Stöffchen, dass wir um die Hüfte gebunden haben, auf dem gefliesten Boden, nackt, der andere auf seinem Hintern und fummelt an ihm herum. Wir stutzen, überlegen kurz ob wir hier richtig sind. Waren wir. Wir wurden schlicht Zeugen einer Rwandischen Massage, wobei die Szenerie (wie ich einmal mehr erstaunt feststellte) eher antik wirkte, die "Zuschauer" logierten amphitheatergleich in aufsteigenden Reihen und sahen dem Treiben in der Arena zu. Mathiacus setzte sich dazu.

Komischerweise präferierten alle nach uns kommenden Gäste sich in die gegenüberliegende Reihe zu quetschen, anstatt in unserer Nähe gemeinsam mit uns zu schwitzen- Apartheid selbst gemacht. Ich kam mir vor wie einer von wenigen Auswärtsfans bei einem komplett ausverkauften Heimwärtsspiel der gegnerischen Mannschaft, etwas verloren, aber andererseits froh um den Umstand nicht mit Bier bzw. Schweiss bespritzt zu werden und versehentliche oder mutwillige platzschaffungsintentionierte Ellenbogenstöße des Sitznachbarn zu kassieren.

Da sass ich nun auf dem schwarzen Holz, welches vermutlich nie die privilegierten Konsequenzen eines >lassen sie bitte kein Schweiss auf das Holz kommen<-Schild erfuhr, ursprünglich hell war und fing pflichtschuldig mit dem Schwitzen an. Vergeblich suchte ich erhitzte Steine, Aufgusskessel und Schöpfkelle zu erspähen, doch der Saunameister war allgegenwärtig. schliesslich war dieser für den Tee, bzw. den Abwasch, sowie die Sauberkeit zuständig, massierte nebenher die Gäste inclusive Gesicht, wenn er nicht gerade den Lappen füs bodenwischen auswrang und wuselte somit stets umher. Die Gruppenerfahrungswirksame Massage vor allen, den rwandisch untypischen Exhibitionismus verstanden wir in dem Moment noch nicht.
Die Technik des Erhitzens bestach durch Simplizität: in einem riesigen Topf brodelte das Wasser und sorgte so für genügend Humidität, von Zeit zu Zeit wurden frische Eukalyptusblätter hinzugefügt, dieser Sut wiederum sorgte für den guten Geruch.