Dienstag, 28. Juli 2009

Vorbereitungsseminar

Hallo ihr lieben, die Vorbereitung für das Vorbereitungsseminar läuft auf Hochtouren. Morgen ist es soweit, dann steige ich in die Bahn, oder hoffentlich in ein Auto mit anderen Freiwilligen falls wir uns noch organisiert bekommen sollten, um runter nach Lützensommern zu fahren, ein Rittergut, der zwar abgelegen aber wunderschön sein soll.

Tag 1
Ich bin da, tatsächlich ist es hier angenehm, das Gelände ist wirklich mittelalterlich, jede landesspezifische Vorbereitungsgruppe hat ihren eigenen Raum, morgens um acht scheint es frühstück zu geben, um neun starten wir meistens alle Freiwilligen gemeinsam. Miene Truppe ist absolut klasse, wir sind nicht so viele, aber Charakterstarke junge Leute, mit denen ich schon wirklich gut zurechtkomme.

Die Anfahrt war Ereignislos, das klingt jetzt langweilig uninteressant, aber warum immer alles ironisieren, soll doch einmal an dieser Stelle angeführt werden was gut war: ich hatte keine nervigen Mitfahrgäste bei mir in keinem Abteil, weder in ihr Telefon hysterisch schreiende uv-geröstete Greise die glauben, die Entfernung zwischen sich und ihrem Gesprächspartner mit purer Lautstärke überbrücken zu müssen, noch sich und alle in ihrer Umgebung besinnungslos kreischende Säuglinge. Das einzige negativ highlight war die Bahnmitarbeiterin am Ticketschalter, die mich fragte ob ich denn (weil ich meine Bahncard 25 vergessen hatte) diese später vorzeigen möchte, jetzt also mit Ermäßigung fahren möchte. In ihr (um nicht dümmlich zu sagen) der mentalen Bescheidenheit schmeichelndes Gesicht forderte ich einer Eingebung (und einstmals negativen Erfahrungsbelehrung) folgend, was es denn kosten würde im Nachhinein. Es stellte sich heraus, dass jenes Nachzeigen 15 Euro kostet, die Ermäßigung mit der Karte hätte es mir ermöglicht zehn Euro zu sparen. Auf meine Frage hin, wann sie gedenken würde mir diese Milchmädchenrechnung zu offenbaren wurde sie wie erwartet pampig und gab mir zu verstehen dass ich sie als Kunde nicht nur bei ihrem wohlverdienten morgentlichen Dösen unterbräche, sondern vielmehr auch sich ihrer Kenntnis entziehenden Informationen wünschte.

Wie dem auch sei, jetzt bin ich hier, an einem Ort voller junger motivierter Zivis. Ich habe noch nie eine so hohe Dichte an Haar pro Kopfhautfläche an einem Ort gesehen. Auf dem Boden lag eine Tatz, die Leittitelüberschrift in etwa: Bundeswehr und Gelöbnis…ich lachte, es waren Soldaten des Wachbataillon abgebildet, ich war zugegebenermaßen etwas Schadenfroh. Da sah ich mein eigenes Gesicht. Eine echte Schocksituation. Aufnahmen aus dem letzten Jahr…

Die Folgenden Tage
Waren geprägt von Kommunikationstraining. Ich hatte mich im Eifer des kommunikativen Gefechts angesteckt an denjenigen Seminarteilnehmern, die mit einem sowieso schon angeschlagenen Immunsystem die fünfer Kombinationsimpfung sich haben verabreichen lassen um alles hinter sich zu bringen in möglichst kurzer Zeit, deren Immunsystem aber kurzerhand beim Seminar, ein Tag nach der Spritzung, zusammenbrach. Ich ging also mit Paracetamol geschluckt früh ins bett und die Mittagspause horchte ich noch zusätzlich an der Matratze um Energie zu tanken.

Die konkreten Tipps, die mich am meisten fesselten, waren diejenigen über Kommunikation. Dass die typische deutsche Form der Informationsübertragung nicht greift im Ausland, dass die rohe Substanz an purer Information zu rar ist, emotional verpackt werden muss, dass sozusagen es die Aufgabe des freiwilligen ist, die „Blackbox“ herauszufinden, in die das zu Sagende reingeworfen werden muss, darin durch ein undefinierbares Geknäul von Mentalität, Konstituierung, Erfahrung und Sozialisierung gewirbelt wird, um schließlich als diejenige Aussage ausgeworfen zu werden, die einem am Ende passt.

Der Geist soll offen sein, wie ein Fallschirm, je offener, desto sicherer landet man. Ich hatte eigentlich vermutet direkt auf meine Einsatzstelle vorbereitet zu werden, jedoch werden wir als Einzelcharaktere in unseren individuellen Kompetenzen geschult, was auch sinnvoll erscheint, denn UNS nehmen wir überall mit hin und auf die Stelle kann man sich niemals so gut vorbereiten, wie sich selbst dazu zu bringen sich sicher zu fühlen.

Die Nächste Ernüchterung war die Aussage, dass wir keine echten Freundschaften werden schließen können, dass der erste Kontakt immer schnell hergestellt werden kann, jedoch alles darüber hinaus meistens nicht möglich ist.

Unsere Pausengestaltung ist ansonsten insofern interessant, als dass ein Teilnehmer eine „Slackline“ gespannt hat und wir alle zusammen „slacken“ was eigentlich nichts anderes bedeutet, als über ein flaschenzuggespanntes Band zwischen zwei Bäumen zu balancieren. Aber diese Beschreibung ist wohl mit einer zu uncoolen Konnotation behaftet, als das man diesen Sport einfach „Balancieren“ nennen könnte, außerdem bedarf es heutzutage ja der allseits um sich greifenden Anglizismen um etwas als Interessant verkaufen zu können. So bin ich hier also temporär zum „gelegenheitsslacker“ geworden.

Nachbetrachtung:
Eine wunderbare Zeit, die ich mit wirklich tollen Leuten verbringen durfte. Man stelle sich eine art „mini-Woodstock“ vor, wobei sozial engagierte, allseits interessierte und im Thema Kommunikation äußerst fitte außnahme-Personen zusammen ein Woche verbringen. In den Pausen wird barfuß mit Gitarren in der Hand über diejenigen Inhalte von diskutiert, bei denen routinemäßig die Leute die Augen verdrehen und entweder Sachen sagen wie: „ das ist mir jetzt aber doch zu abstrakt“ oder „ jaaaa, ich weiß die Welt ist schlecht“ und nicht zu vergessen „du bist viel zu emotional und machst dir viel zu sehr einen Kopf“.
Folgendes widme ich dieser Zeit:

Wie kommts, dass mitten im Nichts
Man Jugend findet so pur
In Lützensömmern was ein Witz
Sie sich bekennt zum guten Schwur

Dort wo Ambitionen walten
Sich klare Kehlen korrekt verhalten
Kristallene Augen einander ansehn
Und im tiefen Einklang verstehn

Zum Klang der gitarre
In eifrig Wortgefecht
Ich genießend ausharre
Sind unsere Ideale gerecht

Vor Glück platzend prall
Ist unsere Stimmung
Ich in Hoffnung hell erhall
Über Erfahrungsgewinnung

Herrlich gemeinsam Zeit
Ist selten und rar
Sie uns gegen alles feit
Ich sie für immer im Herzen bewahr!

Ich bin sehr dankbar, ich habe viel gelernt undsehe gut vorbereitet und voller Vorfreude dem Jahr in Ruanda entgegen!

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