Donnerstag, 28. November 2013

Alltäglicher Wahnsinn II

Zweiter Teil, selber Tag

Ich sitze alleine im Büro des direkten Assistenten des Repräsentanten des unfpa – die Aufteilung ist hier konfus. Heute allerdings ändert sich die vor allem für meine hier schon länger anwesenden Kollegen frustrierende Situation, denn bisher müssen sie sich ein Büro teilen und ich als kleiner Praktikant throne im Sessel mit der Klimaanlage im Rücken. Denn gestern stand Chefchen höchstpersönlich vor meinem Schreibtisch und fragt wann ich denn das Büro zu räumen gedenke. „Witzig“, dachte ich nur, denn niemand hatte mir bescheid gesagt,  dass das in irgendeiner art von mir erwartet wird. Kurz darauf lief diejenige Person an meiner offenen Tür vorbei, der mein Raum eigentlich zugedacht war und meinte en passant, dass sie ja schließlich nur warte bis ich den Raum freigebe. „Nicht witzig“ hatte ich gedacht und mich weiter an meinem Projekt zu schaffen gemacht, bei dem es sich um eine objektive („und so“ giggelt der Philosoph in meinem Kopf) Umfrage bezüglich Kommunikationsproblemen bürointerner Verständigung geht. Mit dem säuerlichen Beigeschmack von Ironie kommt mir seitdem zumindest meine Arbeit so richtig doll sinnvoll vor. Heute werde ich dann nach diesem gestrigen Lehrstück versagender Kommunikation umquartiert. Das heißt, dass ich keinen Schlüssel und ein Büro bekomme. Bis zur Pause bin ich Asterix, bloß dass ich nicht Rom erobere, sondern meinen neuen Raum in Ouaga und zwar indem ich durch das unfpa-Irrenhaus tingel und den Passierschein A38 (Schlüssel) suche…genervt und verstört entlasse ich mich in die Pause.

Zur heißesten Phase des Tages haben wir eine Phase der Erholung von knapp zwei Stunden für uns, die einmal den Arbeitstag so lang zieht, dass man immer im Dunkeln nach Hause muss und man nichts mehr vom Tag hat zum anderen den ersten Teil des Tages so lang zieht das ich mit knurrendem Magen vormittags dasitze und schließlich auch noch mich und meine Kollegin genau dann in das gleißende Licht entlässt, wenn die Klimaanlage im Büro so nötig wie sonst überhaupt nichts am Tag wäre. Wir gehen für kleines Geld am Straßenrand Ris-sauce, also Reis mit Soße auf Holzbänken sitzend essen und wiederholen gebetsmühlenartig die tägliche Feststellung: „ Scheiße, es ist heiß“. Mein Smart-casual outfit in Hemd und langer Hose ist Schweißgetränkt. Der Sinnlosigkeit und des Geschmackes willen gehen wir deshalb im Anschluss einen heißen Tee trinken, an einem Ort, wo es zwar etwas mehr kostet in einem kleinen vom Lärm abgeschirmten Paradies zu sitzen, aber insgesamt mit dem günstigen Mittagessen ein fairer Deal für die Geldbörse ist.

Nach nur einer Stunde wieder aufgenommener Arbeit muss ich wieder los. Ich hatte in einer Polizeistation am anderen Ende des Zentrums von Ouaga vor dem Wochenende ein Visa für die Westafrikanische Region beantragt. Bénoit hatte mich zur Frau gebracht die den ersehnten Stempel in den Passport drücken wird und wie jede entnervende Bürokratie hat die Stelle natürlich nur zu sich exact mit Arbeitszeiten von normalen Menschen deckenden Stunden auf. Ich war am Tag vorher schon da. Und am Tag davor. Mein Fehler war nicht die „Extra-Gebühr“ zu zahlen, also das was man hier „petit business“ nennt, ein kleiner Dazuverdienst für Angestellte um ihr ach so schlechters Gehalt aufzubessern, kurz: Bestechung. Zahlt man drauf, dann geht alles schneller und am darauffolgenden Tag hat man was man will. Sie hatte mich am Freitag gesehen und im Kurzschluss mit meiner Hautfarbe angenommen ich will die zügige Nummer, wir hatten alles ausgefüllt, ich nicht verstanden dass ich in einer Bestechungssituation bin, es dämmerte mir erst später was Bénoit auf meine Frage hin gemeint haben muss mit „naja irgendwas zwischen 25.000 und 30.000“ als ich den Preis erfragte. Die Dame hatte am Freitag dann statt den Preis zu sagen nur in die Luft gestarrt und mit dem Finger auf eine auf Papier geschriebene Summe getippt. Meinte zumindest Bénoit als wir dann draußen standen, denn ich selbst war etwas verwirrt und  nichts ahnend ihrem Blick gefolgt und hatte nichts verstehend mit ihr gemeinsam in die Luft geglotzt. Daraufhin hatte sie den Bezahlbeleg wieder weggenommen, damit ich beim nächsten Mal vielleicht den „Ganzen“ Betrag überreiche und mich in das Wochenende entlassen, ohne Reisepass und ohne Beleg das selbiger in irgendeiner Behörde schlummert. Heute war also der Tag der offiziellen Persönlichhkeits-Wiedererlangung gekommen und mir bangt es ein wenig. 

Aufgesetzt gut gelaunt habe ich deshalb den exakten Betrag schon parat in der Hand, denn nichts wäre taktisch unklüger als sich in ein Szenario zu manövrieren von wegen „ ääh.. Madame..Wechselgeld zufällig? Nicht..ist gerade aus.?! öhöm ja okay hm.. schönen Tag noch“, triumphierend überreiche ich also nicht mehr als das offizielle Protokoll verlangt und sprach bewusst übertrieben laut und nähere mich dabei nicht allzu sehr, um gar nicht erst eine komplizenhafte Stimmung aufkommen zu lassen. „MÄÄRßIII“ pöbel ich um ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass der Deal damit beendet ist und haste hinaus, stolpere dabei aber noch über ein französisches Pärchen. Es ist das zweite mal das sie hier sind, ihre Pässe sind allerdings noch nicht fertig. Die Pointe: sie haben beim Spiel mit dem Draufzahlen mitgemacht, mit dem Ergebnis das es trotzdem nicht schneller ging - mich aufmachend kann ich mir das Grinsen eines moralisch-integer-Handelnden-und-dafür-nicht-abgestraft-werdenden nicht verkneifen...

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

jepp

Anonym hat gesagt…

Passierschein A38...:-) Sehr gut.

Lucky hat gesagt…

Zitat Wikipedia:
Unter seiner Präsidentschaft (Thomas Sankara) wurde der Name des Landes am 4. August 1984 in Burkina Faso („Land der ehrenwerten Menschen“ oder „Land der Aufrichtigen“) geändert.

Tja... war wohl nix ;-: