Zweiter Teil, selber Tag
Ich sitze alleine im Büro des direkten Assistenten des
Repräsentanten des unfpa – die Aufteilung ist hier konfus. Heute allerdings
ändert sich die vor allem für meine hier schon länger anwesenden Kollegen
frustrierende Situation, denn bisher müssen sie sich ein Büro teilen und ich
als kleiner Praktikant throne im Sessel mit der Klimaanlage im Rücken. Denn
gestern stand Chefchen höchstpersönlich vor meinem Schreibtisch und fragt wann
ich denn das Büro zu räumen gedenke. „Witzig“, dachte ich nur, denn niemand hatte
mir bescheid gesagt, dass das in irgendeiner art von mir erwartet wird. Kurz darauf lief diejenige Person an meiner offenen Tür
vorbei, der mein Raum eigentlich zugedacht war und meinte en passant, dass sie
ja schließlich nur warte bis ich den Raum freigebe. „Nicht witzig“ hatte ich gedacht
und mich weiter an meinem Projekt zu schaffen gemacht, bei dem es sich um eine
objektive („und so“ giggelt der Philosoph in meinem Kopf) Umfrage bezüglich
Kommunikationsproblemen bürointerner Verständigung geht. Mit dem säuerlichen
Beigeschmack von Ironie kommt mir seitdem zumindest meine Arbeit so richtig
doll sinnvoll vor. Heute werde ich dann nach diesem gestrigen Lehrstück
versagender Kommunikation umquartiert. Das heißt, dass ich keinen Schlüssel und
ein Büro bekomme. Bis zur Pause bin ich Asterix, bloß dass ich nicht Rom
erobere, sondern meinen neuen Raum in Ouaga und zwar indem ich durch das
unfpa-Irrenhaus tingel und den Passierschein A38 (Schlüssel) suche…genervt und
verstört entlasse ich mich in die Pause.
Zur heißesten Phase des Tages haben wir eine Phase der
Erholung von knapp zwei Stunden für uns, die einmal den Arbeitstag so lang
zieht, dass man immer im Dunkeln nach Hause muss und man nichts mehr vom Tag
hat zum anderen den ersten Teil des Tages so lang zieht das ich mit knurrendem
Magen vormittags dasitze und schließlich auch noch mich und meine Kollegin genau dann in
das gleißende Licht entlässt, wenn die Klimaanlage im Büro so nötig wie sonst
überhaupt nichts am Tag wäre. Wir gehen für kleines Geld am Straßenrand
Ris-sauce, also Reis mit Soße auf Holzbänken sitzend essen und wiederholen
gebetsmühlenartig die tägliche Feststellung: „ Scheiße, es ist heiß“. Mein
Smart-casual outfit in Hemd und langer Hose ist Schweißgetränkt. Der
Sinnlosigkeit und des Geschmackes willen gehen wir deshalb im Anschluss einen
heißen Tee trinken, an einem Ort, wo es zwar etwas mehr kostet in einem kleinen
vom Lärm abgeschirmten Paradies zu sitzen, aber insgesamt mit dem günstigen
Mittagessen ein fairer Deal für die Geldbörse ist.
Nach nur einer Stunde wieder aufgenommener Arbeit muss ich
wieder los. Ich hatte in einer Polizeistation am anderen Ende des Zentrums von
Ouaga vor dem Wochenende ein Visa für die Westafrikanische Region beantragt.
Bénoit hatte mich zur Frau gebracht die den ersehnten Stempel in den Passport
drücken wird und wie jede entnervende Bürokratie hat die Stelle natürlich nur
zu sich exact mit Arbeitszeiten von normalen Menschen deckenden Stunden auf. Ich war am Tag vorher schon da. Und am Tag davor. Mein
Fehler war nicht die „Extra-Gebühr“ zu zahlen, also das was man hier „petit
business“ nennt, ein kleiner Dazuverdienst für Angestellte um ihr ach so
schlechters Gehalt aufzubessern, kurz: Bestechung. Zahlt man drauf, dann geht
alles schneller und am darauffolgenden Tag hat man was man will. Sie hatte mich
am Freitag gesehen und im Kurzschluss mit meiner Hautfarbe angenommen ich will
die zügige Nummer, wir hatten alles ausgefüllt, ich nicht verstanden dass ich
in einer Bestechungssituation bin, es dämmerte mir erst später was Bénoit auf
meine Frage hin gemeint haben muss mit „naja irgendwas zwischen 25.000 und
30.000“ als ich den Preis erfragte. Die Dame hatte am Freitag dann statt den
Preis zu sagen nur in die Luft gestarrt und mit dem Finger auf eine auf Papier
geschriebene Summe getippt. Meinte zumindest Bénoit als wir dann draußen standen, denn ich selbst war etwas verwirrt
und nichts ahnend ihrem Blick gefolgt
und hatte nichts verstehend mit ihr gemeinsam in die Luft geglotzt. Daraufhin
hatte sie den Bezahlbeleg wieder weggenommen, damit ich beim nächsten Mal
vielleicht den „Ganzen“ Betrag überreiche und mich in das Wochenende entlassen,
ohne Reisepass und ohne Beleg das selbiger in irgendeiner Behörde schlummert.
Heute war also der Tag der offiziellen Persönlichhkeits-Wiedererlangung
gekommen und mir bangt es ein wenig.
Aufgesetzt gut gelaunt habe ich deshalb den
exakten Betrag schon parat in der Hand, denn nichts wäre taktisch unklüger als
sich in ein Szenario zu manövrieren von wegen „ ääh.. Madame..Wechselgeld
zufällig? Nicht..ist gerade aus.?! öhöm ja okay hm.. schönen Tag noch“, triumphierend
überreiche ich also nicht mehr als das offizielle Protokoll verlangt und sprach
bewusst übertrieben laut und nähere mich dabei nicht allzu sehr, um gar nicht erst
eine komplizenhafte Stimmung aufkommen zu lassen. „MÄÄRßIII“ pöbel ich um ja
keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass der Deal damit beendet ist und haste
hinaus, stolpere dabei aber noch über ein französisches Pärchen. Es ist das zweite mal das sie hier sind, ihre Pässe sind allerdings noch nicht fertig. Die Pointe: sie haben beim Spiel mit dem Draufzahlen mitgemacht, mit dem Ergebnis das es trotzdem nicht schneller ging - mich aufmachend kann ich mir das Grinsen eines moralisch-integer-Handelnden-und-dafür-nicht-abgestraft-werdenden nicht verkneifen...
3 Kommentare:
jepp
Passierschein A38...:-) Sehr gut.
Zitat Wikipedia:
Unter seiner Präsidentschaft (Thomas Sankara) wurde der Name des Landes am 4. August 1984 in Burkina Faso („Land der ehrenwerten Menschen“ oder „Land der Aufrichtigen“) geändert.
Tja... war wohl nix ;-:
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