Was ist da los in Ouagadougou? Es herrscht Ausnahmestimmung in der Hauptstadt Burkinas. An allen Ecken finden sich Plakate mit wirren Bildern und angsteinflößenden Prophezeiungen wie: „Das haben sie noch nie gesehen“ und direkt daneben: „Sie sollten das auch gar nicht direkt sehen!“. Worum kann es gehen, wenn die Titelseiten der zwei wichtigsten Tageszeitungen praktisch nichts anderes mehr bringen, als alltagstaugliche Erklärungen von astrologischen Phänomenen? Wenn an jeder Ecke Verkäufer mit merkwürdigen Brillen in der Hand stehen und hysterisch versuchen dir klar zu machen, dass es dein Ende sein wird, wenn du dir nicht sofort für 1000 FCFA ein stück Papier mit angebappter schwarzer Folie andrehen lässt?
Wenn viele Menschen gleichzeitig in den Himmel glotzen, dann gibt es zwei Möglichkeiten, worum es sich handelt. Tipp: es ist nicht das psycho-outdoor-experiment zur Überprüfung wie viel Herdentier-Mentalität im modernen Homo Sapiens noch übrig ist. Es geht um die „éclipse“, die Sonnenfinsternis. Sie ist ein
Ereignis der besonderen Art, weil sie den Ängstlichen einen Anlass gibt sich zu
Hause zu verstecken, den Mutigen sich dem Extremen zu stellen, also hier der
Sonne und mir zur Nachdenklichkeit. Im Vorhinein gab es viele Spekulationen und
Verschwörungstheorien darüber, was einem versucht wird weiß zu machen – man
läuft an sich ankeifenden Marktfrauen vorbei, die sich aufgebracht versuchen
gegenseitig von ihrer Theorie zu Überzeugen:
„Diese éclipse gibts gar nicht, wie soll das auch
funktionieren, das ist alles nur ein Trick der Regierung um von irgendwas
abzulenken“
„Neeeein, das sind die Händler, die haben sich das
ausgedacht, die haben diesen Brillen-Schund gefunden und wollen das Zeug
loswerden..“ – jemand drittes fällt ins Wort
„Böööses, das ist ein Plan um uns alle blind zu machen, wer
guckt denn bitte schon direkt in die Sonne nur weil er Papier auf der Nase
hat?“
So oder so herrscht ein allgemeiner Zustand vor, der
irgendwas zwischen Ängstlichkeit, Verwirrung, Unterstellung und Unverständnis
ist, nur in einem ist man sich einig - Dunkelheit wie man sie nur sonst nachts
gewöhnt ist - wird man so schnell nicht mehr tagsüber erleben können.
Morgens versuche ich etwas Brot zu kaufen, zu spät. Die
Ängstlichen haben seit letztem Abend und den frühesten Morgenstunden die Läden
leer gekauft, horten Brot, bunkern Reserven, man weiß ja nie, wenn die Welt
draußen vor der Haustür untergeht, dann braucht man ja was zum bebuttern. Mein
Nachbar meinte er würde sich verstecken, er wolle nicht in die Sonne schauen.
Auf meine Frage hin, ob er das denn das restliche Jahr über täte, und wenn
nicht, warum er glaube jetzt damit anzufangen, meinte er nur: „ man weiß ja
nie“. Ich überließ ihn also seinen Schutzvorkehrungen vor sich selbst.
Draußen vor der Tür sitzen die Mutigen. Zehn Leute mit zwei
Brillen beobachten dann – ja, tatsächlich, es geht los – wie sich da eine
schwarze Kugel langsam vor die Sonne schiebt, eindeutig als mini-Puppsel im
Meer vom Schwarz der éclipse Brille, fast sogar ein bischen klar erkennbar.
Allerdings weiß ich nicht ob meine Nachbarn es tatsächlich auch sehen, einmal
meine ich jemanden die Augen hinter der Brille zukneifen zu sehen…ich gebe die
Brille ab und denke mir, dass es irgendwie auch lächerlich war die Brille zu
kaufen, spätestens in ein paar Minuten wird es dunkel sein, der Beweis schlecht
hin.
Nach ein paar Minuten hält mein Nachbar die Brille in der
Hand und fragt mich ob ich sehen will, wie die Sonnenfinsternis abnimmt. „
Bitte was?!!“ frage ich zugegeben etwas verdattert. Es stimmt, es war keine
totale Sonnenfinsternis, nur eine Partielle. Ich fühle mich betrogen. Es ist
nicht mal dunkel geworden, es hat nicht mal gedämmert, außer das es mir
dämmerte, dass bei diesem „Highlight“ – denn das war es schließlich ohne
Dunkelheit – wir alle , wie wir so dastehen, mit den lächerlichen Brillchen in
der Hand und der Fassungslosigkeit in den Gesichtern, irgendwie hinters Licht
geführt wurden.
Jede Wolke hätte an diesem Tag mehr Sonnenfinsternis
gemacht. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlimm, denn schließlich
schienen am Ende alle doch auch ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Ablauf
einer éclipse zu haben. Als ich am Abend vorher dem Tante-Emma-Laden Besitzer
an unserer Ecke noch mal in Erinnerung rufen wollte, wie eine Sonnenfinsternis
funktioniert, hatte er mich gefragt, ob wir denn in Deutschland auch einen Mond
haben. Ich war etwas sprachlos, hatte aber versucht das zu überspielen und kurzerhand
erklärt, dass er bei uns in der Nacht wie eine Sichel von der Seite kommt,
nicht wie eine Schale wie hier. Darauf hin hatte er nur gefragt „ und eine
Sonne, habt ihr so was auch?“.
Es stimmt, mit einer anderen Vorraussetzung wäre die Sonnenfinsternis
vielleicht weniger enttäuschend gewesen. Also heißt es ab sofort an seinen Erwartungen zu arbeiten - und überhaupt, Wolken sind eh
viel greifbarer.
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