Donnerstag, 29. Oktober 2009

Alltag

Hallo meine Lieben,
nachdem ich euch einen meiner schluesseltage skizziert habe, gezeigt habe, wie vollgeladen an Erfahrung und verschiedensten Situationen so kurze Zeit sein kann, will ich euch nun mal erzaehlen, wie das ganze umgekehrt sein kann. Zur Zeit lebe ich fuer meine Freizeit, alles was ich bisher berichtete ist aus der Zeit, während welcher ich eben nicht auf der Arbeit bin. Mehr als einmal wurde ich gefragt, was ich denn jetzt eigenntlich konkret machen wuerde.
Aber das ist das Problem. Nichts.
Auf meiner Arbeit, yes Rwanda, habe ich einen Tutor, der mit mir zusammen sein Projekt durchzieht und alles mit mir gemeinsam macht. Soviel zur Theorie. Die Praxis sieht leider anders aus. Er sollte derjenige sein, der ueberwiegend in the fields ist, also auf Achse, mal salopp uebersetzt. Tatsaechlich aber sitzt er den Großteil seiner Arbeitszeit vor dem Rechner. Das ist nun nicht einer bestimmten verbesserungswürdigen Arbeitshaltung geschuldet, sondern seiner Tätigkeit an sich, dem Wesen des zu Erledigenden. Dummerweise gibt es keinen Rechner für mich, der mich befähigte ihm helfen zu können. Aber das ist garnicht wirklich das Problem, denn selbst wenn er mal beiseite rücken würde und wir gemeinsam auf den Bildschirm stierten, kann ich ihm einfach nicht so richtig helfen, muss er doch viel bürokratischen Schreibkram erledigen, der, selbst wenn ich ihm hülfe, und ihn für ihn erledigte, nochmal von ihm gemacht werden müsste.

(übrigens ist gerade der Strom ausgefallen um unter aufflackern der Glühbirnen und bei Ausbruch sintflutartiger Regenfälle, die innerhalb von kürzester Zeit den Boden erst in rotfarbenenes dunkel-besprenkeltes Punkt-Muster, dann in einen Dunstschleier tauchen, schließlich die Dämmerung erscheinen lassen, um die Vorankündigung gleich eintretender Lufterfrischung preiszugeben, und den Generator unter Brummen und Stöhnen murrend seine nicht seltene Arbeit aufnehmen zu lassen.)

So sitze ich also in meinem smart-casual outfit mit guter Hose und Hemd im office und werde nicht gebraucht. Ich trinke Tee und unterhalte mich mit unseren Arbeitskollegen und wenn ich mal einen Computer ergattern kann, schreibe ich die blogs für euch, einmal um mir nochmal die Zeit durch den Kopf gehen zu lassen die mir am Herzen liegt und die mich hier prägt und erfüllt- meine Freizeit, als natuerlich auch um euch an meinem Leben hier teilhaben lassen zu können.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Hallo Matthias,

eine selten Stimme aus dem bisher von nirgendwo. Die Bilder sind jetzt alle ganz lebendig hier in Deinem Zimmer und das bodenrot vom Regen gefärbt klingt richtig nach Afrika-in-meinem-Kopf.
Der Wunsch nach dem Dabeisein und auch Mitmachenkönnen ist so gut nachzuvollziehen. Es bleibt, eine spannende Zeit in einer "fremden" Welt und ich denke gerade an Lieblingsbücher aus meinem Studium, in denen Menschen aus anderen Kulturen ihr Bild von Deutschland schildern. Unglaublich - und unglaublich komisch - und unglaublich nachdenklich stimmend.
Für alle Deine weiteren Entscheidung und Perspektiven auf Arbeit und Freizeit die liebsten Wünsche ... ich bin soooo neugierig. Wir treffen uns dann hier?

Liebe Grüße und ersten Schneegedanken aus Berlin, Ellen

Anonym hat gesagt…

Hallo Matze,
wollte doch mal wieder was schreiben, allein nur aus Anerkennung deines Schreibstils, der so pointiert Eindrücke und Gefühle eben dieser einzufangen vermag.Ich folge deinen Schilderungen nun in größeren Abständen, zum einen um sie besser verknüpfen zu können und zum anderen, weil ich glücklicher Weise wieder mehr zu tun habe. Neben anhaltenden Einstellungtest für die ich jedes Mal durch halb Deutschland fahre (lächerliche Entfernungen für den Kontinent auf dem du dich befindest), hatte ich auch gestern meine Einführung in die Bedienung eines Schneeräumfahrzeuges (mein neuer Nebenjob). Als ich in diesem Hightech-Gerät zur Fortschaffung von Etwas saß, dass in Ruanda wohl wenige Kennen und an deine Berichte dachte, musste ich lauthals lachen und hätte beinahe zwei meiner Kollgenen weggebürstet.
Freue mich auch weiterhin von dir zu lesen...